Über das Aufräumen …

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Aufräumen. Ja, aufräumen sollte man mal. Denk ich mir, obwohl ich den ganzen Tag als Alleinerzieherin – ein scheußliches Wort nebenbei bemerkt, unmelodisch und so sperrig, dass ich beim Aussprechen manchmal Angst habe, dass es sich in meiner Kehle versehentlich querlegt und steckenbleibt – nichts anderes mache.
Ich räume Spielsachen, ich räume um, ich optimiere, ich räume hin, her, weg, um, raus, woanders hin und bis auf den kurzen Moment der Ordnung nach dem unmittelbaren Tun halte ich, was ich tue, für ziemlich sinnlos und unnotwendig. Jeden Tag.
Das heißt jetzt nicht, dass ich gerne in einem Dreckloch hausen würde, genausowenig, wie ich stolze Besitzerin eines blitzsauberen Bodens sein möchte, von dem man essen kann. Ich habe einen Tisch, dort funktioniert das wunderbar. Der blitzsaubere Boden erübrigt sich daher. Da meine Tochter allerdings gerne ihre aktuellen Beschäftigungen am Küchentisch deponiert, ergibt sich – zumindestens auf einer Hälfte, denn der Küchtentisch ist groß – so eine Art Müllhalden-Flair. Das andere Extrem.

Also Aufräumen. Immerzu, jeden Tag, ungefähr so wie Sissyphus, mal ruhiger, mal mit schärferem Ton in Richtung Tochter. Ihr Zeug darf sie nämlich selbst wegräumen, ich bin hier nur Veranlasser.
Dann muss noch Wohnraum adaptiert werden an ein Leben zu zweit, ein immer größer werdendes Kind, Altlasten beseitigt …… Aufräumen eben.
Natürlich kommt die Rumräumerei einerseits aus einer schlichten Notwendigkeit (die Babybadewanne steht einfach irgendwann nur mehr im Weg herum und so man nicht in der glücklichen Lage ist, eine 200 m² Villa sein eigen zu nennen, muss sie einfach aus platztechnischen Gründen weg, wie vieles andere auch), andererseits ist sie Begleiterscheinung eines schwindenen Perfektionstriebs, aber zu einem Gutteil ist sie bei mir scheinbar der Versuch das Äusserliche zu verinnerlichen, sprich das äußere Ordnung schaffen soll zur inneren Beruhigung beitragen.
Und da sind wir jetzt beim Punkt. Aufräumen. Aber innen. Das hab ich vergessen. Mich davor gedrückt? Vor mir hergeschoben, VERschoben bis ……?
Ich denke dafür gibt es keinen definierten Zeitpunkt. Es passiert einfach. Aus verschiedensten Gründen. Mal hier geschluckt, mal da den Mund gehalten um nicht als leicht beleidigt abgestempelt zu werden, Lasten getragen, weil sie einfach nun mal da sind, und aus Erschöpfung so manchem Konflikt und Anstrengungen, die vermeidbar sind, aus dem Weg gegangen.
Klingt logisch, ist nachvollziehbar, also müsste die Lösung a la Milchmädchen (und ich liebe Milchmädchen-Rechnungen, schon seit ich klein war) sehr einfach 2 sein. Denn 1 + 1 = 2.
Also zurückrudern, oder neue Lösungen für alte Probleme finden, neue Wege andendenken oder denken lernen, was geänderte Situationen und damit neue Lösungswege impliziert. Man muss es nur tun.
………
Hab ich. Okay, vielleicht nicht gut genug, perfekt genug, diszipliniert genug. Ich habe das Gefühl, ich habe soviele Umwege in meinem Denken und Werden und Sein gemacht, um jene Aspekte, wo ich mir, und vor allem der Meinung meiner Umwelt nach, immer schon im Wege stand „auszumärzen“, dass ich nach einem gefühlten Zick-Zack-Kurs ziemlich ausgebrannt dort stehe, wo ich stehe: vor dem Knoten in meiner Brust.
Vor meinem Körper, der sich schon lange mit meinem Zeigefinger an die Schläfe tippt.

Aufräumen ist angesagt. Oder Abrechnen. Aber abrechnen ist so ein Wort, dass ich heute nicht mehr mag. Bei abrechnen geht es um „Recht haben“ und um Gerechtigkeit. Ich war ein glühender Verehrer des „Auge um Auge-Prinzips“ (im eigentlichen Sinne, nur ein Auge, nicht im Zorn gleich den ganzen Kopf abschlagen). Ich habe mich gewehrt, mir nicht alles gefallen lassen, bin aufgestanden und habe meine Meinung gesagt, wenn viele, die gleicher Meinung waren, sitzen geblieben sind. Ich habe mich in der Rolle des Revoluzzers wohlgefühlt und mir in ihr gefallen. Ich dachte, ich BIN das. Und das dachte ich lange.
Bis sich mein Leben gedreht hat. Von zuoberst nach zuunterst und wieder zurück. Und irgendwo da in dieser Berg-Tal-Berg……-Fahrt bin ich verlorengegangen, meine Überzeugungen, meine Prinzipien, mein Richtig-Falsch-Gefühl, meine Sicherheit.

Alles was ich heute weiß ist: abrechnen tut man mit anderen, aufräumen fängt bei einem selbst an.

Fakt ist: Keiner kann ohne andere Menschen leben. Manchmal benötigt man Hilfe, ein Gespräch, eine Geste. Ich habe gelernt darum zu bitten. Ich befinde mich (seit langem) in einer Situation, die ohne Unterstützung nicht lösbar, bewältigbar ist.
Ich habe an falscher Stelle nach Hilfe gesucht? Ich habe zu wenig um Hilfe gebeten? Zu leise?
Heute trifft Existenzlosigkeit drohenden Wohnungsverlust mit schwierigem Kind in einer völligen sozialen Isolation und einem Körper, der meine Stimmlosigkeit überstimmt.
tbc.

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